Die Vorsehung

„Alles steht in einem großen Buch geschrieben, alles ergibt einen Sinn. Auch wenn wir diesen Sinn oft erst viel später begreifen." - Das waren die Worte eines alten Mannes, den man nicht recht ernst nahm.
„Was ist mit dem Hunger auf der Welt?" fragte sein Sohn, „was mit den Krankheiten? Worin liegt da ein Sinn?" “Ich sagte dir doch, den Sinn erkennt man oft nicht sofort. Aber alle Dinge sind uns gegeben, sie zu bewältigen." „Das glaube ich nicht, das glaube ich nie und nimmer!"

Nun gingen einmal der Alte und sein Sohn gemeinsam auf die Jagd. Bevor sie in den Wald eindrangen, hörten sie einen Kauz drei Mal rufen. Nach einer kurzen Pause rief er noch einmal. „Hast du gehört", sagte der Alte, „der Kauz will uns etwas mitteilen. Wir sollten umkehren." „Blödsinn, Vater, der Kauz hat zufällig gerufen, und wir haben es zufällig gehört."
„Wenn du meinst" - und sie ritten weiter. Kamen immer tiefer in den Wald, bis sie nicht mehr weiterkamen, weil das Dickicht zu undurchdringlich geworden war.
„Wir, wir haben uns verirrt", sagte der Sohn, „es wird besser sein, zu Fuß weiterzugehen."

Sie stiegen also ab und gingen zu Fuß weiter. Aber schon lief die Dunkelheit durch den Wald, und die beiden machten sich daran, ein Lager für die Nacht zu richten. Der Sohn brach Zweige von den Bäumen, der Alte sammelte große Blätter. Dann schnitt der Sohn mit seinem Messer Lianen, um damit die Äste zu einem Dach zusammenzubinden. Einen Augenblick war er unvorsichtig, rutschte mit seinem Messer ab und schnitt sich den Daumen seiner rechten Hand ab. „Oh mein Gott, wozu soll das jetzt gut gewesen sein?" jammerte der Sohn, „erkennst du vielleicht auch darin einen Sinn, dass ich nun meinen Daumen verloren habe?"

Der Alte schwieg und ließ seinen Sohn mit seiner Wut allein. Nach Mitternacht bewegten sich plötzlich seltsame Gestalten auf den Schlafplatz des Sohnes zu. Es waren Krieger eines verborgenen Stammes, die in dieser Nacht ausgeschwärmt waren, um ein Opfertier für ihren Götzen zu fangen. Je makelloser und schöner dieses Opfer war, um so gnädiger sollte der Götze gestimmt sein.
Man kann sich also die Freude der Krieger vorstellen, ein so wunderbares Opfer gefunden zu haben. Sie fesselten den Sohn und brachten ihn unter Freudengeschrei in ihr Dorf. Dort war bereits alles für die Opferung vorbereitet. Der Sohn wurde entkleidet und an einen Stein gebunden. Nun mussten ihm die Hände, die Füße, der Kopf mit Blättern umwickelt werden. Aber plötzlich schrien die Krieger auf: Sie hatten bemerkt, dass dem Menschen ein Finger fehlte. In wilder Angst liefen die Dorfbewohner kreischend auseinander: Man hatte dem Götzen ein verletztes, versehrtes, minderes Opfer darbringen wollen! Der Alte hatte aus der Ferne alles mit angesehen und befreite seinen Sohn.
„Du siehst", sagte der Alte, "es steht alles im großen Buch geschrieben. Ich hoffe, dass du mir nun glaubst!"