Neue Eindrücke

Hörtrainings Geschichte | Dauer: 05:18

Neue Eindrücke

Alles ist dunkel und warm. Viel mehr gibt es nicht wahrzunehmen, zu spüren. Nur Dunkelheit und Wärme. So geht das schon eine ganze Weile. Eigentlich seit ich zurückdenken kann, wenn man das so nennen kann. Ich kannte nie etwas anderes außer diese beruhigende, immerwährende Wärme. Ich mag es gerne warm. Ich fühle mich sicher und geborgen. Die Dunkelheit stört mich auch nicht, aber manchmal frage ich mich, ob es da nicht noch mehr gibt. Warm kann es von mir aus immer bleiben. Aber nicht so dunkel. Ich nenne es mein Nest. Ein paar neue Eindrücke wären schön. Aber ich möchte mich nicht beschweren.

Mein Tagesablauf ändert sich ständig. Ununterbrochen wird an etwas Neuem gearbeitet, weiter verbessert, gewachsen. Immer weiterwachsen - das ist mein Motto. Viel anderes gibt es auch nicht zu tun. Eigentlich ist es ja auch ganz spannend. Immerzu verändere ich mich, kein Tag gleicht dem anderen, denn ich arbeite auf ein Ziel hin. Ein großes Ziel. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie das aussieht, aber ein Instinkt ganz tief in mir sagt mir, ich muss mich vorbereiten. Auf etwas Großes, einen Ortswechsel. Darauf freue ich mich schon. Hoffentlich ist es dort auch so warm wie in meinem dunklen Nest.

In letzter Zeit tut sich besonders viel. Große Veränderungen passieren und ich bin jeden Tag gespannt, was heute Neues auf mich zukommt. Ich weiß, dass ich mit jeder Veränderung, jedem Fortschritt meinem Ziel ein Stückchen näherkomme. Aber ich denke, es wird noch eine Weile dauern, bis ich bereit bin, mein Nest zu verlassen. Ich bin schon so gespannt. Es kribbelt so komisch in meinem Kopf. Eigentlich nicht direkt in meinem Kopf, mehr an den Seiten. Wo sonst immer nur Stille war, kribbelt es plötzlich. Ich frage mich, ob das so bleiben wird. Ich finde es ganz angenehm, endlich einmal ein neuer Eindruck neben der Dunkelheit.

Das Kribbeln wird zunehmend stärker und verändert sich. Es ist kein gleichmäßiges Summen, sondern wird lauter und leiser, geht hinauf und hinunter. Es ist in ständiger Bewegung, so wie ich. Ich habe mich schnell an meinen neuen Begleiter gewöhnt, eigentlich bereitet er mir sogar Freude. Ich signalisiere das meist mit einem Tritt. Irgendwie habe ich das Gefühl, so kommt die Nachricht am besten an. Manchmal wird dann das Kribbeln lauter und ich spüre, wie es noch ein bisschen wärmer wird.

Mittlerweile ist das Kribbeln meine Lieblingsentwicklung, die ich in den letzten Wochen durchgemacht habe. Nur würde ich es nicht mehr als Kribbeln bezeichnen. Es ist klarer, wenngleich dumpf. Es funktioniert schwerelos, ohne Anstrengung, ohne Aufwand. Es sind Geräusche, Töne, Klänge. Ich liege und entwickle mich und genieße jeden Moment. Manchmal kommen ganz viele Klänge auf einmal auf mich zu. Sie spielen in einem Rhythmus, mal hoch, mal tief. Das mag ich besonders gerne. Es fühlt sich dann an, als würden die Töne durch mich hindurchfließen. Sie werden ein Teil von mir, ich kann sie fühlen.

Die Klänge mischen sich mit Stimmen. Wie gerne möchte ich die Stimmen kennenlernen, wissen, wer da zu mir spricht und diese Klänge mit mir teilt. Ich fühle mich zu den Stimmen verbunden. Seit ich sie hören kann, weiß ich noch mehr als je zuvor, dass ich zu ihnen gehöre. Und ich möchte sie kennen, noch mehr, als ich sie jetzt schon kenne. Manchmal, wenn ich die Stimmen höre, merke ich, dass sie nur für mich ertönen, dass sie sich an mich richten. Dann breitet sich noch mehr Wärme in mir aus, Geborgenheit, die ich davor nie kannte.

So wohl ich mich in meinem Nest auch fühle, der Platz wird immer enger und ich immer ungeduldiger. Lange dauert es nicht mehr, das kann ich spüren. Und wenn es so wunderbare Dinge gibt, wie diese Klänge, dann kann auch dieser Ort nur wunderbar sein.